Jugendstil-Badeanlage in Bad Nauheim


"Die Jugendstil-Anlagen in Bad Nauheim wurden zwischen 1904 und 1912 errichtet. Der kunstbegeisterte Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein beauftragte den jungen Architekten Wilhelm Jost mit der Gestaltung. Neue Kuranlagen waren wegen der stetig steigenden Zahl an Kurgästen notwendig geworden. Um eine optimale Nutzung der Thermalsole mit ihrer natürlichen Wärme und der frei gelösten Kohlensäure zu gewährleisten entstanden insgesamt 265 Badezellen.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich Bad Nauheim zum international geschätzten Heilbad entwickelt. Da die veralteten Badehäuser im Fachwerkstil nicht mehr den wachsenden Anforderungen eines internationalen Badepublikums genügten, wurden diese durch neue, größere Bade- und Kuranlagen ersetzt.

Landesfürst Ernst Ludwig, Gründer der berühmten Künstlerkolonie auf der Darmstädter Mathildenhöhe, übergab die Leitung des Projekts an Wilhelm Jost, einen aus Darmstadt stammenden Architekten. Bei der Planung und Ausführung erfreute sich Jost großer künstlerischer Freiheit. Unterstützt wurde er von Bildhauer Heinrich Jobst, Keramiker Jakob Julius Scharvogel, Maler Friedrich Wilhelm Kleukens sowie Architekt Albin Müller. Gemeinsam prägten sie das Gesicht des Sprudelhofes, der sich nicht nur künstlerisch auf der Höhe der Zeit darstellte, sondern auch technisch.

Charakteristisch für den Bad Nauheimer Jugendstil ist die vielfältige Verwendung von Schmuckelementen, die auf den entscheidenden Bezugspunkt der Anlage – das Wasser als Gesundheit spendende Kraft – hinweisen: Meerestiere, Nymphen, Nixen, Wellen und Kohlensäurebläschen. Während die Außenfassade des Sprudelhofs durch einfach Formen im „neuaufgefassten Barock“ gekennzeichnet ist, faszinieren die Innenräumen mit reinstem Jugendstil. In Bad Nauheim entwickelte sich ein eigenständiger Stil, der teilweise auf Vorbilder der Renaissance und des Barock zurückgreift und diese mit Schmuckformen des späten Darmstädter Jugendstils dekoriert.

Man kann an den verschiedenen Badehäusern die Entwicklung des Jugendstils ablesen: findet man in den Badehäusern 4 und 5 den typischen floralen Jugendstil, ist in den Badehäusern 3 und 7 der Übergang in den geometrischen Jugendstil zu erkennen. Das Besondere am Bad Nauheimer Jugendstil ist, dass alles noch im Original erhalten ist – Wartesäle, Innenhöfe und die Wannen im Badehaus 3 versetzen Besucher in Zeit um 1900!

Die Wende zum 20. Jahrhundert war eine Zeit des Wirtschaftswachstums. In Europa entstand aus den gesellschaftlichen Umständen die Kunstrichtung des Jugendstils, die um 1890 ihren Anfang nahm und etwa 1914 endete. Wegbereiter war die Arts- und Crafts-Bewegung in England in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die neue Kunstrichtung, ein Gesamtphänomen in der künstlerischen Entwicklung, verstand sich als Lebensreformbewegung mit einer neuen Ästhetik. Der Name “Jugendstil” leitete sich von der 1896 in München gegründeten Zeitschrift „Jugend“ ab.

Die großen europäischen Zentren waren Brüssel, Nancy, Wien, Barcelona, Glasgow, Helsinki, in Deutschland Darmstadt, München und Weimar. Die Kunstrichtung suchte nach neuen Formen, die alle Bereiche der Kunst und des Lebens durchdringen sollten, z. B. in der Architektur, Bildhauerei, Malerei, Grafik, aber auch in der Dichtung, Musik, in der Tanzkunst und in der Mode. Der Jugendstil bevorzugte Motive aus der Tier- und Pflanzenwelt. Dynamische Bewegungen, immer wiederkehrende Kurven und Wellenbewegungen, gebogene Endungen und Plastizität waren gemeinsame Elemente. Länderspezifisch entstand jedoch parallel dazu eine abstrakt-geometrische Richtung."

(Quelle: www.bad-nauheim.de)